Das S-Boot Typ S100 in 1:35 von Italeri • Ein Bauprojekt mit großem Platzbedarf!

Die erste Frage, die man sich vor dem Kauf dieses Bausatzes stellen sollte ist, ob man einen geeigneten Stell-Platz für dieses gigantische Modell in der Wohnung findet. Die Karton-Aufschrift „The world biggest 1:35 scale plastic model kit“ macht seinem Namen alle Ehre! Mit über 100 cm Gesamtlänge sprengt das Schnell-Boot fast alle Standard-Vitrinen-Maße. 

 

Eigentlich zähle ich mich nicht zu den erfahrenen Schiffsmodellbauern – als ich aber auf der Spielwarenmesse 2009 in Nürnberg erstmalig das S-Boot Typ S-100 von Italeri in voller Größe betrachten konnte, war ich von diesem Modell fasziniert. Warum nicht einmal über den Tellerrand schauen und sich auf sonst eher fremden Territorien bewegen! Vor allem reizte mich die Idee, ein Schnellboot-Diorama mit passenden Fahrzeugen, einer Hafenanlage und zahlreichen Figuren zu schaffen. 

Der Bau des Bootes

Die umfangreiche, Din A4 große Bauanleitung ist in der bekannten, guten Italeri-Manier angelegt und stellt auch den ungeübten Modellbauer vor keine großen Schwierigkeiten. Etwas gewöhnungsbedürftig und manchmal etwas verwirrend ist die Darstellung der einzelnen Bauabschnitte in der 3D-Optik. Schritt für Schritt setzt sich das Boot, in 46 Baustufen, zusammen. Die Montage geht relativ rasch von der Hand und man erhält zügig zufriedenstellende Ergebnisse. Beginnend mit dem Zusammenbau der Rumpfhälften zeigt sich schnell die Größe dieses Modelles. Vier große Verstrebungen, die in den Rumpf verklebt werden, geben dem Ganzen die nötige Stabilität – es ist dennoch ratsam die beiden großen Hälften mit Gummibändern oder Tesafilm zusammenzuhalten und sie für einige Zeit zum Trocknen beiseite zu legen. Kleinere Fugen verschloss ich mit Flüssigspachtel und versäuberte diese nach dem Trocknen. Im nächsten Schritt werden die Ruder und Schrauben montiert. Der beiliegende Display-Ständer leistet während der gesamten Bauphasen gute Dienste, um dem Schiffsmodell einen festen Stand zu geben.

Besondere Aufmerksamkeit wurde auch den Torpedo-Rohren und den Verschlussklappen gewidmet. Die Klappen sind beweglich und können geschlossen oder geöffnet dargestellt werden. Da eine spätere Bemalung nur sehr schwierig durchzuführen ist, macht es Sinn, in dieser Stufe, die Rohre von innen mit einer Metallic-Farbe zu bemalen. Hierzu wählte ich ein Silber, dass ich mit der Airbrush auf jeweils beide Hälften der Rohre aufsprühte. Zahlreiche Ätzteile und filigrane Handräder geben der Abschussvorrichtung ein interessantes Aussehen. In der nachfolgenden Baustufe wird das Oberdeck und die Torpedohalterungen montiert. Das Deck wird verschraubt, was sicherlich für diejenigen interessant ist, die das S-Boot RC-fähig bauen wollen. Mit dem Bauabschnitt 17 beginnt die Konstruktion der gepanzerten Kalottenbrücke  – dem Herzstück des Bootes. Gerade hier findet man die vielen kleinen Details, die sowohl aus Ätzteilen, wie auch aus Kunststoff bestehen, die den Reiz dieses Modelles ausmachen. Da auch dieser Bereich nach der Fertigstellung äußerst schwer zugänglich ist, habe ich die Wände der Kabine mit der Grundfarbe, ein elfenbeinfarbiges Hellgrau, und einige Einzelteile vorab bemalt.

Am Führerstand werden zahlreiche Halterungen aus dem Ätzteilbogen angebracht. Etwas komplizierter ist es, die Helmablagen in jeweils der gleichen Art und Weise zurechtzubiegen. Ich habe hierzu ein passendes Rundholz verwenden, um ein gleiches Aussehen der fünf Halterungen zu gewährleisten. Leider verbiegen sich diese beim Aufkleben wieder sehr schnell, was man aber mit ein wenig Nacharbeit und Geduld wieder in den Griff bekommen kann. Jeder verfügbare Platz auf Deck wurde genutzt. So findet man zahlreichen Stauraum für Werkzeuge, Munition und alles, was man für eine Seereise benötigt. Nachdem auch das Schanzkleid und der Bugbereich zusammengesetzt wurde, geht es nun an die Aufbauten und an die Abwurfvorrichtung für die Wasserminen. Auch hierbei kommen wieder zahlreiche Ätzteile zum Einsatz. Leider sind keine Wasserminen im Bausatz enthalten. Hier bietet aber der Zubehörmarkt passende Seeminen in 1:35. Im gleichen Bauabschnitt wird ebenfalls die  Kompassanlage und die Belüftungsanlage für den Innenbereich des Bootes installiert. Mit dem Anbringen diverser Reelingstützen, Fender, Bootshaken, Rettungsflössen und -Ringen und vielerlei Ausrüstungsgegenstände, die man auf einem solchen Boot finden kann, wird der Bau des Schnellbootes abgeschlossen. Als Handläufe zwischen den Reelingstützen verwende ich gezogenen Giessäste, die einfach über einer Kerzenflamme erwärmt und auf die passende Größe und Länge gestreckt wurden. Ein wenig Plastikkleber in den Ösen hält diese dann auch auf Spannung. 

 

Blick auf die detailreiche Kommandobrücke. 

Die Schiffsaufbauten mit dem vertauten Rettungsfloss. 

Die Torpedos

Laut der Aussage eines befreundeten “Experten” sollen die Torpedos einige Schwachpunkte aufweisen. Ich habe im Worldwideweb nach Hinweisen und Anschauungsmaterial gesucht, aber nicht wirklich brauchbares Referenzmaterial gefunden. Alleine schon die Suche nach der korrekten Farbgebung erwies sich als äußerst mühsam und schwierig. Letztendlich habe ich die vier beiliegenden Torpedos nach dem Bauplan aus dem Kasten gebaut und nach Vorlagen aus verschiedenen Quellen bemalt. Hier gibt es die unterschiedlichsten Farbgebungen – von Messingfarben, über Blau bis hin zu Rot oder Schachbrettmustern bei Versuchsvarianten. 

Das Boot von oben. 

Die Geschütze

Da diese Boote nicht nur mit Torpedos, sondern auch mit Geschützen, ausgestattet waren, beinhaltet der Italeri-Bausatz ebenfalls drei verschiedene Rohrwaffen. Im Bug des Schiffes befindet sich ein 2 cm-MG in einer Schützenmulde, ein 2cm-Zwillings-MG im mittleren Teil des Bootes und eine 7,9 cm Kanone im Heck des Bootes. Die Geschütze sind detailreich gestaltet und können beweglich montiert werden. Wer das S-Boot im Einsatz zeigen möchte, der sollte in der Nähe der Geschütze ein paar passende Munitionskisten arrangieren. 

Die Bemalung des Schnellbootes

Um die Bemalung zu erleichtern sollte man teilweise eine Lackierung zwischen den einzelnen Baustufen vornehmen. Auf der einen Seite gibt es einige Bereiche, die nach dem Zusammenbau nur schwer zu erreichen sind und bei anderen Bauteilen ist es sinnvoll, die Einzelteile vorab zu lackieren, um einem aufwändigen Abkleben entgegenzuwirken. Nach dem Zusammenbau des Rumpfes bemalte ich die untere Hälfte ab der Wasserlinie, mittels Airbrush, in einem leuchtenden Rot. Eine saubere Trennung zum Rest des Rumpfes erhält man mithilfe eines breiten Malerkreppbandes aus dem Baumarkt. Dieses Abklebeband hat den Vorteil, dass es flexibel aufzubringen ist und in den meisten Fällen, den Unterlack nicht angreift. Die obere Hälfte erhielt einen Farbauftrag in hellem Elfenbein-Grau. Das Deck dagegen wurde in Dunkel-Grau koloriert. Ebenfalls bemalte ich alle Holzplanken mit einer mittelbraunen Holzfarbe und setzte an manchen Stellen schon eine schwarzbraune Lasur ein, um die ersten Verwitterungs- und Tiefeneffekte zu simulieren. Auch die Geschütze und Aufbauten wurden vor dem Einbau in den passenden Grundfarben lackiert. Alle weiteren Maldurchgänge habe ich aber erst nach dem kompletten Zusammenbau des Schnellbootes durchgeführt. 

Die ersten Alterungsspuren wurden mit der Airbrush aufgetragen. 

Gebrauchs- und Alterungsspuren

Die Idee war es, ein Diorama zu bauen, in dem ein Schnellboot im Trockendock zur Generalüberholung liegen sollte. Mein S-Boot sollte also einiges hinter sich haben und nach längerem Einsatz auf hoher See diverse Schmutz- und Rostspuren aufzeigen. Betrachtet man originale Schiffe, die dem rauhen Wetter und dem salzigen Meerwasser ausgesetzt sind, so erkennt man eindeutige Verwitterungsspuren, die sich auch am Modell widerspiegeln sollten. Die Grundfarbe des Rumpfes, der Brücke und die der Aufbauten ist ein elfenbeinfarbiges Hellgrau – eine Mischung aus Reinweiss mit etwas Hellgrau und Beige. Sämtliche Kanten habe ich vorab mit einem lasierenden Schwarz konturiert um sie so zu betonen. Schmutzspuren von ablaufendem Wasser simulierte ich mit etwas schwarzbrauner Farbe und einigen Rostpigmenten. An all den Stellen, die stärker beansprucht werden, habe ich mit dunklem Grau unter Beigabe von etwas Natural Steel, Farbabplatzer und Kratzer aufgemalt. Zudem sollten auch zahlreiche Rostflecken auf dem gesamten Schiff verteilt werden. Hierzu eignen sich hervorragend die im Handel erhältlichen Pigmente, die ich mit einer Nitroverdünnung angemischt habe und dann mit einem feinen Haarpinsel an die jeweiligen Stellen auftupfte. Alle Handläufe und Ketten wurden mit etwas Natural Steel in der Trockenmalweise behandelt, um so den Eindruck von Farbabrieb durch Wind und Wetter zu erwecken. Ein besonderes Augenmerk legte ich auf das Minenabwurf-Schienensystem. Durch den Einsatz der Minen ist das Metall blankgescheuert und hier da ist die Farbe abgeplatzt und Rost kommt zum Vorschein. Der Einsatz von Metallpigmenten und Metallic-Farben gibt einen täuschend ähnlichen Eindruck wieder. 

Natürlich ist so ein Boot den Witterungseinflüssen stark ausgesetzt – man sollte allerdings mit Roststellen dezent vorgehen! 

Die Torpedoluken zeigen Öl- und ein paar Roststellen auf. 

Ein helles Grau ist die Basisfarbe – hier wirken die Verwitterungsspuren sehr kontrastreich. 

Darstellung von alten Holzplanken

Fast sämtliche Laufgänge des Bootes sind mit Holzlatten beplankt. Diese Planken sorgten, auch bei stürmischer See, für einen festen Tritt. Zuerst bemalte ich jedes Holzsegment mit einem rötlichen Braunton als Basis. Ein Lasurauftrag mit einem wässrigen Schwarzbraun sorgt für eine Tiefenwirkung und eine erste Verschmutzung. Nach dem Durchtrocknen habe ich wiederum die Holzplanken mit einem helleren Braunton trockengemalt. Abschliessend werden noch alle Kanten und Fugen mit einem Hellgrau nachbehandelt. Es sollte drauf geachtet werden, dass dort, wo die Besatzung entlangläuft, das Holz mehr beansprucht wird, als an den weniger benutzten Stellen.

Alterung der Bordwaffen

Die Basisfarbe der Geschütze ist dieselbe, wie auch die des Rumpfes. Die Geschützrohre wurden mit Metalgun-Grey grundiert und mit etwas Natural Steel trockengemalt. Regen- und Wasserspuren malte ich mit einem spitzen Pinsel und einer wässrigen Mischung aus  Schwarz, Braun und Rostpigmenten auf. Die Kanten des Schutzschildes betonte ich, in der Trockenmalweise, mit einem Flachpinsel und dunklem Grau. Natürlich gibt es hier auch die im vorherigen Text erwähnten Rostflecken und Farbkratzer.

Die Rettungsringe, die Fahne und die Holzplanken ergeben einen schönen Farbkontrast. 

Accessoires

Ein Modell bekommt erst durch kleine feine Details das besondere Etwas. Natürlich sind auf einem Schiff Taue, Ketten. Kisten und ähnliches zu finden. Dem Bausatz liegt ein großes Stück Ankertau bei, was auch für die Verzurrung der Dingis (Rettungsinseln) verwendet werden kann. Ein dünneres Garn stellt die Antenneverkabelung dar. Die Decals, die selbstverständlich vor den Alterungsmaßnahmen aufgebracht werden sollten, ermöglichen die Darstellung verschiedener S-Boote. Ich entschied mich für den schwarzen Panther der 4. Schnellboot-Flotille, genauer gesagt für das S-Boot 204 unter der Führung des Kommandanten Claus Hinrichs, das in Rotterdam stationiert war. 

Fazit

Sicherlich wird die Größe und der Preis dieses Modellbausatzes so einige erst einmal abschrecken. Wer sich aber durchgerungen hat, sich das Schnellboot Typ S-100 auf den Basteltisch zu legen, den erwartet ein 100%iges Bastelvergnügen. Der Bausatz ist gut durchdacht und lässt sich problemlos Schritt für Schritt zusammensetzen. Bei der Bemalung ist zwar ein gewisses Maß an Erfahrung geboten, aber auch der Anfänger kommt zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Alles in allem eine sehr zu empfehlende Investition – und das nicht nur für den eingefleischten Schiffsmodellbauer. 

Joachim Goetz 

Veröffentlicht in Werkbank.

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