Am 18. Juni 2015 jährte sich die berühmte Schlacht von Waterloo zum 200sten Mal. Im Rahmen unserer alljährlichen Urlaubs-Schlachtfeld-Tour führte uns der Weg auch nach Belgien, in die Nähe von Brüssel, auf die Felder der schicksalshaften Kämpfe der Franzosen gegen die Briten und Preußen.
Im Rahmen der Berichterstattung über die Figuren-Neuheiten auf der Nürnberger Spielwarenmesse, unterlief mir ein folgenschwerer Fehler! Ich präsentierte eine Gruppe russischer Dragoner mit der Bildunterschrift „Hier sehen wir drei russische Reiter aus der Schlacht von Waterloo …“! Das hat man davon, wenn man frühmorgens, nach dem Genuss von leckerem Bier und viel zu wenig Schlaf, einen Bericht verfassen muss und nach gefühlten 100 Bildunterschriften, nicht mehr weiß, was man schreiben soll …! Natürlich hagelte es nach der Veröffentlichung unzählige Anmerkungen und Richtigstellungen! Die Russen waren selbstverständlich nicht an der Schlacht beteiligt … wobei meine Lebensgefährtin den schlauen Einwand hatte, dass es doch vielleicht drei russische Praktikanten nach Belgien verschlagen haben könnte! Immerhin war der Zar mit den Briten gegen Napoleon verbündet! Der Sache musste nun auf den Grund gegangen werden!
Also ging es frühmorgens auf nach Belgien! Mit ordentlich Kaffee und Marschverpflegung im Gepäck starteten wir die ca. 310 km von Sümmern aus nach Waterloo. Nicht wie die preußischen Soldaten damals mit Pferdewagen oder zu Fuß, sondern recht komfortabel mit Klimaanlage und ordentlich PS unter der Haube. Bei knappen 30°C war die Klimaanalge aber auch dringend nötig! Die Fahrt dorthin, mit kurzer „Pinkelpause“ in der Nähe von Aachen, verlief stau- und problemlos. Etwas schwieriger war es, die richtige Abfahrt nach Waterloo zu finden, da der Belgier an sich, wenig übrig hat für Hinweisschilder. Wie gut, dass es mobile Navisysteme gibt! Die Stadt Waterloo ist recht beschaulich und dann gibt es hier auch endlich jede Menge Schilder, die einen direkt zum Ort des Geschehens leiten. Ein großer Parkplatz – der sogar kostenlos ist – liegt direkt an dem neu angelegten Museum und in Sichtweite des „Hameau du Lion“ – des Löwenügels. Die gesamte Anlage ist zur 200-Jahrsfeier umgebaut und modernisiert worden. Das „neue“ Museum liegt unterirdisch, so dass der Blick von der Löwen-Skulptur einen Rundum-Blick auf das Schlachtfeld ermöglicht und keine störenden Bauwerke die Sicht verdecken! Der Eingang zum Museum ist mit einer großen schwarzen Gedenktafel verziert. Sie hat gewisse Ähnlichkeit mit der „Vietnam-Memorial-Wall“ in Washington, allerdings sind hier nur wenige Namen aufgeführt, die sich auf die Regiments- und Truppennamen beschränken. Der Weg treppab zum Eingangsbereich lässt einen schon ehrfürchtig werden – immerhin ist hier ein Ort, an dem an einem Tag nahezu 50.000 Menschen ihr Leben verloren haben.
Dieser Eindruck spielgelt sich auch in der gesamten Ausstellung wieder. Alles ist in dunklen Töne gehalten und dezent erklärt und beschrieben. Apropos erklärt: Im Gegensatz zu Verdun oder Museen in den Ardennen, ist hier alles auch in Deutsch nachzulesen! Ausnahmsweise waren wir hierbei ja auch auf der „guten“ Seite und haben Belgien, bzw. damals noch die Niederlande, von der französischen Übermacht befreit! Blücher sei Dank! Der Eintrittspreis liegt bei 19.- Euro pro Erwachsenem. Im Preis enthalten ist das „Champ de bataille de Waterloo“, das „Napoleon´s Headquarter“ und der Besuch des „Wellington Museum“ in der Stadt Waterloo. Und das ganze ist ein Jahr gültig und man kann so oft wiederkommen, wie man will! Also eigentlich ganz akzeptabel. Wer mag, der kann sich per Audio-Guide durch die Ausstellung führen lassen – wir haben allerdings darauf verzichtet, da alle Exponate ausführlich beschrieben sind.
Der Rundgang durch´s Waterloo-Museeum beginnt mit einer kurzen Einführung in die damalige Geschichte, bzw. Vorgeschichte, ausgehend von der französischen Revolution und dem Werdegang Napoleons. Hier ist eine Guillotine aufgestellt, eine Druckerpresse mit originalen Zeitungsblättern und vieles mehr. Der Abschluss dieses Bereiches zeigt eine riesengroße Kopie der berühmten Kaiserkrönung Napoleon Bonapartes.
Nun geht es in die Abteilung „Schlacht von Waterloo“ die mit einem langen Gang startet, der links und rechts mit Uniformen gesäumt wird! Ein Paradies für Figurenmaler!!! Ich habe mindestens 200 Fotos von Jacken, Waffen und Details geschossen! Alleine hierfür hat sich die Reise schon gelohnt. Es handelt sich bei den Uniformen zwar nicht um Originale, aber die Replikas sind liebevoll angefertigt und äußerst historisch korrekt recherchiert worden. Die Figurengruppen sind nach Nationen gesplittet und erklären zudem die Ausrüstungen und Bewaffnungen der Franzosen, Briten, Preußen und anderen Beteiligten. Allerdings habe ich hierbei die drei russischen Dragoner vermisst! Ob man sie vergessen hat? Das Highlight der Ausstellung ist ein 20-minütiger 3D-Film, der den Verlauf des 18. Juni 1815 darlegt. Die Handlungen sind aus der Sicht eines französischen Trommlerjungen, einem englischen Dragoner (leider kein russischer Praktikant) und einem preußischen Infanteristen gezeigt. Gerade die 3D-Animation sorgt für Gänsehaut-Eindrücke und das perfekte Soundsystem lässt einen zumindest erahnen, welchen Horror die Soldaten an diesem Tag vor 200 Jahren erleiden mussten. Da fliegen einem die Kanonenkugeln um die Ohren, Pulverdampf vernebelt die Sicht, der Regen prasselt auf die durchgeweichten Uniformen und plötzlich schießt eine Wand aus Pferden über eine Anhöhe auf einen zu: Der berühmt-berüchtigte Angriff der Scotts Greys – eine schottische Dragoner-Schwadron – die mutig auf die Franzosen losstürmten! Nur Schotten und kein Russe mit dabei! Der Film ist nicht wirklich für jüngere Kinder geeignet, wobei er weitestgehend auf Brutalität und Gemetzel verzichtet. Diese Schlacht, an der über 150.000 Soldaten teilnahmen, forderte bis zu 48.000 Tote und Verwundete – und das wird im Film natürlich auch gezeigt. Das Museum zeigt vielerlei Exponate, die man auf den Ackerflächen rundum gefunden hat. Da gibt es Schrapnell-Geschosse, Kanonenkugeln, persönliche Ausrüstungsgegenstände, Waffen, Uniformteile, ein Skelett und Schädelfragmente gefallener Soldaten.
Unzählige Bilder und Stiche schmücken die Wände und zeigen Szenen aus der Schlacht. Gut 1 1/2 Stunden reichen aus, um sich alle Exponate in Ruhe anzusehen und sich ein Bild über das damalige Leben und die Strapazen der Soldaten machen zu können.
Der Rundgang führte uns nun weiter aus dem unterirdischen Museum heraus in ein kreisrundes Gebäude, das in einer 360° Rundumsicht die Kämpfe um Waterloo zeigt. Das Gemälde, das 110 m lang und 12 m hoch ist, wurde 1912 fertiggestellt. Das Bild ist als Großdiorama angelegt und zeigt im Vordergrund etwas Landschaft und einige Gegenstände die sich eindrucksvoll mit dem Wandbild verbinden. Ich habe die Malerei eine Ewigkeit betrachtet, jede einzelne Figur nach Uniform und Nationalität geprüft … aber auch hier war keine Spur von Angehörigen der Armee des russischen Zaren zu entdecken!
Das nächste Etappenziel ist nun die Besteigung des „Löwenhügels“. Wer wissen will, was Muskelkater ist, der sollte am Tag vorher einen Baum fällen, zwei Festmeter Brennholz schleppen und aufstapeln und dann noch vier Stunden im Schneidersitz ein Auto nachlackieren – und dann die gefühlten 300 Stufen den Löwenhügel hinaufjoggen! Jetzt noch einen Tag warten und man wacht am nächsten Morgen mit einem erstklassigen Muskelkrampf in den Waden und Oberschenkeln auf! Ich hab´s versucht und es funktioniert hervorragend!!! Auch wenn der Aufstieg recht beschwerlich ist – gerade bei Außentemperaturen um die mittlerweile rund 32°C – der Ausblick über die Felder und die belgische Landschaft entschädigt dafür allemal!
Beendet wird der Museumsbesuch mit einer Stippvisite im eigens eingerichteten „Waterloo-Merchandising-Mega-Store“, wo man unzählige Bücher, Postkarten, Schlüsselanhänger, kitschige Porzellanfiguren und ähnlichen Tinnef erwerben kann – alles zu echten „Schnäppchen“-Preisen. Eine kleine Erinnerung ist ja sicher ganz nett – aber das meiste davon landet später eh in irgendeiner Schublade! Für Figurensammler und Modellbauer sind einige der Bücher recht interessant – wobei man darauf achten sollte, die Preise zu vergleichen! Nach kurzer Verschnauf- und Kaffeepause ging es weiter Richtung Waterloo-City. Mit im Eintrittspreis enthalten ist auch das Wellington-Museum – eine ehemalige Herberge im Zentrum der Stadt. Das über 300 Jahre alte Gebäude diente dem britischen Befehlshaber Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington als Hauptquartier und ist heute ein Museum das allerlei Interessantes über die Schlacht von Waterloo aufweisen kann.
Neben Waffen, alten Fahnen, Uniformen und Geschützen gibt es hier viele Informationen über die Behandlung und Versorgung der Verwundeten, Schicksale einzelner berühmter Persönlichkeiten und zahlreiches Bildmaterial über die Reenactment-Gruppen, die zum Jahrestag die Schlacht in Szene gesetzt haben. Ein Audioguide führt einen von Zimmer zu Zimmer, untermalt von passender Musik und einer netten Frauenstimme .. die aber irgendwann anfängt zu nerven, so dass wir nach Zimmer 5 der Quasselstrippe den Hahn zugedreht haben! Man kommt auch genauso gut ohne Audio-Führung durch die Ausstellung. Der Durchgang führt einen auch in den Aussenbereich der ehemaligen Herberge, wo man ein Geschütz aus der Nähe betrachten kann. Im kleinen Garten des Hauses sind einige britische Offiziere begraben. Unteranderem auch ein einzelnes Bein. Der Generalleutnant Uxbridge wurde am Bein durch einen Schrapnell verletzt. Da der Wundbrand eine der größten Gefahren bei einer solchen Verletzung war, entschieden sich die Ärzte für eine Amputation des Beines. Man möchte sich nicht wirklich vorstellen, wie höllisch schmerzhaft eine solche Operation ohne Betäubung gewesen sein muss. Und ich beklag mich über Muskelkater! Nach der Überlieferung soll der Offizier aber sehr tapfer gewesen sein (was auf Morphium zurück zu führen ist) und die Schmerzen wortlos überstanden haben. Zum Dank veranlasste Wellington, das sein Bein mit allen militärischen Ehren im Garten beigesetzt wurde. Die Briten sind halt manchmal sehr skurril!
Für die Dioramen- und Figurenbauer unter uns bietet das Wellington-Headquarter viel Inspiration und tolle Ideen. Nicht nur, dass man sich die Waffen und Uniformdetails aus nächster Nähe ansehen kann – im ganzen Haus sind Schaukästen mit kleinen Dioramen verteilt. Die Kämpfe um La Haye Sainte, Geschützwagen auf dem Marsch, der Angriff der Scotts Greys und vieles mehr.
Bei den Figuren handeln es sich überwiegend um die bekannten, mittlerweile in die Jahre gekommenen und schwer zu findenden Historex-Figuren (was naheliegt, da die Firma sich hauptsächlich mit diesem Thema beschäftigt). Die Miniaturen sind gut umgesetzt, wobei die Bemalung hier und da etwas filigraner und detailreicher hätte ausfallen können. Aber als Anschauungsmaterial sind die Dios bestens geeignet.
Gegen Mittag war unsere Museumstour beendet und wir besuchten noch kurz die Innenstadt von Waterloo. Alles ist hier mehr oder weniger mit den historischen Ereignissen verbunden. Es gibt hier das Wellington-Einkaufszentrum, das Wellington-Cafe und sogar die Wellington-Frittenbude! Eben halt die typischen Touristenfallen. Nach dem Kauf der notwendigen Postkarte machten wir uns in Richtung Heimat auf. Die Rückfahrt nutzten wir noch ein wenig um Land und Leute kennenzulernen und fuhren nicht über die Autobahn, sondern über Landstraßen bis nach Brüssel. Ursprünglich war noch ein Einkaufsbummel in Brüssel geplant, aber da die Stadt damals eine einzige Baustelle war, haben wir uns das geschenkt und sicherlich ne Menge Geld gespart!
FAZIT: Wer sich für die Geschichte des 18. Jahrhunderts interessiert, der sollte diesen Ort unbedingt einmal besuchen. Die Museen sind liebevoll gestaltet worden und spiegeln die Geschehnisse des 18. Juni 1815 eindrucksvoll wieder. Ein Besuch lohnt allemal – auch wenn man kein Modellbau-Freak ist!
Leider gab es keinerlei Hinweise auf meine anfangs erwähnten russischen Protagonisten. Es gibt also keine Ausrede für meine Fehlinformation! Schade! Aber es hätte ja auch gut möglich sein können!
Vielen Dank für den humorvollen Bericht!
Dankeschön!
Sehr informativer Bericht, der zugleich amüsant zu lesen ist. Macht Lust, auch mal Richtung Belgien zu ziehen. Übrigens sind die Figuren von HISTOREX nicht schwer zu finden. Problemlos bei “Berliner Zinnfiguren” zu bekommen.
Das Museum ist auf jeden Fall ein Besuch wert! Und Belgien hat noch einiges mehr zu bieten!
Felix Mraz
Dankeschöne für den wunderschönen Bericht.
Ich war zwar 2015 bei der 200 Jahr-Scjlacht- Feier dort, aber für normal Besucher , war das Museum leider gesperrt