Port Royal – eine Piraten-Vignette im Eigenbau

Dieser kleinen Vignette liegen Kindheitserinnerungen zugrunde und die Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheitsdrang. Kapitän Joe streift einsam durch die düsteren Gassen einer kleinen Hafenstadt, verfolgt von Dieben, die ihm seiner, mehr oder weniger wohlverdienten Schätze berauben wollen …

Die Figur ist diesmal Nebensache

In diesem Artikel geht es weniger um die Bemalung einer Figur, sondern vielmehr um den Bau einer passenden Szenerie. Bei der Piraten-Figur handelt es sich um eine Miniatur aus dem Hause Andrea Miniatures. Die Figur ist erstklassig in Weissmetall gefertigt und läßt sich einfach, nach den üblichen Versäuberungsarbeiten, mit ein wenig Sekundenkleber zusammensetzten. Nach einer Grundierung mit der Airbrush in Matt weiss wurde der Pirat mittels Acrylfarben bemalt. Ein abschliessendes Trockenbemalen mit Ölfarben betont die Details.

Planung ist alles

Vor dem Bau der eigentlichen Vignette habe ich eine vage Skizze, wie die Szene später aussehen sollte, angefertigt. Kapitän Joe sollte durch die Gassen einer düsteren und verwitterten Hafenstadt streifen. Ein Stück Kaimauer mit einer Wasserfläche sollte ebenfalls mit integriert werden. Nachdem die Planskizze meinen Vorstellungen entsprach, begann ich damit, einen von der Größe her passenden Sockel herauszusuchen. Da nur eine Figur auf dem kleinen Diorama Platz finden sollte, sollte auch der Sockel nicht zu überdimensioniert wirken. Zuerst konstruierte ich die Hafenmauer und die kleine Treppe. Aus Balsafoam sägte ich die Stücke passend zurecht und gravierte unterschiedliches Mauerwerk ein. Eine Mischung aus feinem Sand und Weissleim füllte die zu tief geratenen Fugen wieder auf und gab einzelnen Steinen ihre typische Struktur. Die gleiche Mischung diente auch zur Erstellung des Hafenbeckens. Der nächste Schritt galt dem Ausgleich zwischen Kaimauer und Straße. Hierfür sägte ich aus Styrodur einen Block zurecht, der ca. 5 mm unter dem Niveau der Mauer lag. Dieser Abstand sollte für das Pflaster ausreichen. Die einzelnen Kopfsteinpflaster sind wiederum aus Blasafoam gefertigt und in eine breiige Masse aus Foamstaub, Sand und Weissleim gelegt worden.

Bei der Gestaltung einer Hafenstraße aus dem Jahre 1660 kann man getrost auf die Exaktheit der Pflastersteine oder auf ein kunstvolles Muster verzichten. Je rustikaler umso besser! Nachdem alle Steine eingebettet waren, habe ich noch die Fugen mit dem selben Brei und mittels eines breiten Pinsels ausgefüllt und alles für einen Tag zum Trocknen beiseite gestellt.

Gestaltung der Häuserfronten

Jetzt ging es an die Häuserfronten. Ich wollte zwei Gebäude darstellen, um eine gewisse Breite und Höhe zu erzeugen. Das eine Haus sollte ein Gasthaus oder eine Kneipe und das andere eine Art Lagerhaus werden. Nach einer Recherche im Internet und in einigen Architektur-Büchern fiel die Wahl auf ein gemauertes Fachwerkhaus mit Bruchsteingrundmauern. Die Basis entstand auch hierbei aus Balsafoam. Nachdem die Grundform mit einem Bleistift aufgezeichnet war, habe ich alles fein säuberlich mit einer Laubsäge herausgesägt. Diverse Mauervorsprünge, die Treppe und die Türumrahmungen wurden aus dünnen Balsafoamstreifen geschnitten und aufgeklebt. Mit Hilfe eines Zahnstochers und einer Graviernadel wurden nun alle Mauerstrukturen in die leicht zu bearbeitende Substanz eingeritzt. Die Fachwerkbalken schnitt ich aus Balsaholz, dass ebenfalls nochmals nachstrukturiert wurde. Die Fensterrahmen entstanden aus Polysterol-Streifen und die Dachbalken sind Raketenstangen die ich auf einem morgendlichen Neujahrsspaziergang  eingesammelt hatte. Um noch ein wenig Abwechselung zu erzeugen, bekam das Lagerhaus ein Schifferdach und die Kneipe eines mit Dachpfannen aus Eisenbahn-Zubehör.

Jetzt kommt Farbe ins Spiel

Obwohl noch nicht alle Details an den Gebäuden angebracht waren, habe ich schon jetzt das gesamte Konstrukt mit einer matten dunkelgrauen Farbe grundiert. Auf der einen Seite gibt die Farbe dem Balsafoam einen gewissen Schutz vor ungewollten Beschädigungen und zweitens kann man nun die weitere Farbgestaltung besser beurteilen. Die ersten Grundfarben trug ich mit einem Pinsel auf. Für die farbliche Gestaltung benutzte ich ausschließlich Acrylfarben. Diese haben den Vorteil. daß sie matt auftrocknen und von der Grundierung ideal aufgenommen werden.

Viel Liebe zum Detail

Ein äußerst wichtiger Aspekt bei der Vignettengestaltung sind die vielen kleinen Details, die eine Szene für den Betrachter interessant machen. Der Modellbau-Markt bietet allerlei Accessoires und Zubehör um ein Diorama realistisch auszustaffieren. Man findet sowohl Fässer, Kisten, Fenster, Türen wie auch geätzte Schilder und Türbeschläge. Wer mit offenen Augen seine Umgebung betrachtet, der findet schnell heraus, auf welche Details es ankommt. So fügte ich zahlreiche Gegenstände und Accessoires in die Vignette ein. Die Treppengeländer stammen zum Beispiel aus dem Programm von Verlinden und die windschiefe Laterne aus dem Zubehör von Miniart.

 

Drei Ebenen – eine Vignette

Unser kleines Schaustück besteht aus 3 unterschiedlichen Ebenen, die alle drei für sich den Betrachter fesseln können. Die erste Ebene ist das Hafenbecken. Der karge Bodenbelag ist ein sandiges Gemisch, dass farblich in Ocker und Brauntönen bemalt wurde. Ein paar spärliche Pflanzen aus dem Fredericus-Rex-Sortiment dienen als Farbtupfer.

Verschieden lasurartige Aufträge und eine abschliessende Trockenbemalung betonen die Strukturen. Die zweite Ebene ist die Straße mit der sich darauf befindlichen Figur. Da sich die Kleidung des Piraten in das Gesamtbild hervorragend einfügt, stechen die rote Farbe der Schärpe und des Kopftuches besonders hervor. Auch das Rumfass und der umgefallene Kartoffelsack beleben die Szene.

Als dritte Ebene haben wir nun noch die Häuserfronten, die dem Ganzen die nötige Höhe verleiht.

 

Der Zahn der Zeit

Besonderes Augenmerk habe ich auf die Verwitterung der einzelnen Details gelegt. Regen, Wind und natürlich die Salzluft haben im Laufe der Jahre ihre Spuren an den Metallteilen, am Holz und an den Steinen hinterlassen. Alle Metallteile wurden mit einem matten Schwarz lasiert und dann mit Rostpigmenten nachbehandelt. Eine Mischung aus warmem Grau und Ocker diente zur Simulation einer leichten Salzkruste auf den Holzbalken. Ein leichtes Überarbeiten dieser Stellen in der Trockenmalweise erzeugt den gewünschten Effekt.

Das brackige Wasser erzeugte ich mit einem bernsteinfarbenen Kunstharzgemisch, dass ich in einen Kunststoffrahmen einfasste und den Rahmen später wieder entfernte. Bei dem Poller handelt es sich wieder einmal um eine der besagten Raketenstangen und wurde mit dem Skalpell realistisch ramponiert und farblich gealtert. Besonders stechen hier die einzelnen Farbnuancen der Steinmauer ins Auge.

Auch wenn die Vignette nur ca. 12 x 12 cm groß ist, gibt es viele kleine Blickfänge, die das Auge des Betrachters fesseln können. So wird eine Geschichte auf kleinstem Raum erzählt.

 

Joachim Goetz

 

Veröffentlicht in Werkbank.

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