„Mylae 260 v. Chr. – Roma Victor“ • Diorama im Maßstab 1/72 • Thomas Krug

Es ist vollbracht. Nach 15 Jahren (mit Unterbrechungen) habe ich dieses Diorama nunmehr fertiggestellt und das Ergebnis kann sich – so glaube ich – sehen lassen.

Hier kann man das Diorama in Augenschein nehmen:
Video: https://www.youtube.com/watch?v=6MLGmhDwVVA
Bilder: http://tkr172.blogspot.com/
Baubericht: https://www.geschichte-in-miniaturen.de/forum/viewtopic.php?f=32&t=737

Historischer Hintergrund:
Der Erste Punische Krieg (264 – 241 v. Chr.) war der Kampf der damaligen beiden Supermächte um die Vorherrschaft im Mittelmeer. Auf der einen Seite die Karthager, die an der Nordküste Afrikas beheimatet waren (heutiges Tunesien und Teile von Algerien) und die maritime Seeherrschaft innehatten, auf der anderen Seite die Römer, die nur landgestützt operierten und einen starken Willen zur Expansion zeigten. Ein militärischer Zusammenprall der beiden Kulturen war unvermeidlich.

Der auslösende Moment war der Hilferuf des Tyranns von Syrakus an die Römer, der den steigenden militärischen Druck der Karthager auf Sizilien fürchtete. Die Römer halfen nur zu gerne und entsandten Truppen. Doch schon bald zeigte sich das Dilemma, dass die Römer an Land zwar ziemlich unschlagbar waren, jedoch maritim mit schwachen alliierten Kräften den Karthagern nicht ebenbürtig waren und somit jederzeit eine Invasion an jeder beliebigen Stelle Siziliens stattfinden konnte.

In typischer römischer Art reagierte man darauf und baute auf Basis eines gestrandeten karthagischen Schiffes eine eigene Flotte von 200 Schiffen, bildete die Ruderer und Seeleute aus und entwickelte zusätzlich noch eine Geheimwaffe um die seemännische Überlegenheit der Karthager auszugleichen – den Corvus (zu deutsch Rabe). Hierbei handelt es sich um eine Art Enterbrücke, die sich im gegnerischen Deck mittels eines massiven
Metallsporns verankerte und über die römischen Soldaten in Überzahl die feindliche Besatzung niedermachen konnte. All dies wurde angeblich innerhalb von 6 Monaten erreicht.

Der erste Einsatz der neuen Flotte erfolgte in der Schlacht von Mylae (heute Milazzo) an der Nordküste Siziliens im Jahre 260 v. Chr, wobei beide Parteien ca. 130 Schiffe zur Verfügung hatten – also ein ziemlich großes Gefecht. Die Karthager hatten vor den Römern nicht den geringsten Respekt und gingen sofort nach Sichtung des Feindes ohne Schlachtformation zum Angriff über. Der Corvus erwies sich aber als wirklich böse Überraschung und die Karthager wurden zum ersten (aber nicht letzten) Mal vernichtend geschlagen.

Der Krieg zog sich noch weitere 12 Jahre mit mehreren Land- und Seeschlachten dahin, bis die Römer schlussendlich Sizilien komplett in Besitz nehmen konnten.

Der im Diorama dargestellte Moment ist der Nahkampf von zwei römischen Galeeren (ein Kommando- und ein Linienschiff mit Corvus) mit einer karthagischen Galeere. Das römische Linienschiff hat gerade seinen Gegner gerammt und zusätzlich noch den Corvus eingesetzt. Die römischen Soldaten versuchen nun die karthagische Besatzung niederzukämpfen. Das römische Kommandoschiff ist im Begriff das eigene Schiff zu unterstützen.

Zusätzliche Infos zu den Schiffen:
Das Standardkampfschiff der Periode war die Quinquereme, das bedeutet, dass jede vertikale Rudersektion 5 Ruderer in 3 Ebenen (2-2-1, Variationen möglich) auf jeder Seite besaß. Der Schiffsrumpf sollte so trocken als möglich bleiben, da die Feuchtigkeit das Gewicht erhöht und damit Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit leiden. Daher wurden die Schiffe täglich über Nacht an Land gezogen! Unterhalb der Wasserlinie war der Rumpf mit Metallplatten verkleidet und mit Wachs überzogen. Die Schiffe hatten nur einen geringen Tiefgang, dafür aber einen ziemlich hohen Schwerpunkt. Um die Stabilität des Schiffes im Wasser zu gewährleisten mussten die Soldaten, sofern sie nicht im Gefecht waren, an Deck sitzen oder sich hinhocken. Nur Wasser und eine kleine Menge Nahrungsmittel konnten transportiert werden. Ein weiterer Grund für das nächtliche an Land ziehen. Natürlich gab es auch keine Toiletten an Bord – man konnte die Galeeren oft noch gar nicht sehen, bei (un)günstigem Wind aber bereits riechen. Da die Schiffe an allen Seiten abgeschlossen waren, gab es Probleme mit der Luftzufuhr. Einige Öffnungen an bestimmten Stellen brachten etwas Verbesserung. Der Rammsporn war kein fester Teil des Rumpfes, konnte also beim Rammen durchaus abreißen. Normalerweise wurden die Masten vor dem Gefecht umgelegt oder über Bord geworfen, da jedoch die Karthager bei Mylae sofort nach Sichtung den Angriff begannen, habe ich mich für die Variante mit den aufgestellten Masten entschieden.
Die Höchstgeschwindigkeit einer Quinquereme betrug etwa 10 Knoten (= 19 km/h) – somit waren diese Schiffe wirklich schnell (ungefähr wie ein moderner Doppelachter bei Oxford/Cambridge), aber nur bei optimalen Wetter- und Wasserbedingungen. Bei Wellen über 1 m Höhe mussten sie an Land bleiben. Die Römer verloren mehr Schiffe durch Schlechtwetter als durch Feindeinwirkung. Das Sinken eines gerammten Schiffs dauert sehr lange – manche Experten sagen sogar, dass es nur voll Wasser läuft und überhaupt nicht untergeht (mit der möglichen Ausnahme eine gebrochenen Kiels).
Die Ruderer waren keine Sklaven, sie waren gut ausgebildete und bezahlte Profis. Es ist schwierig 170 Ruder koordiniert zu bedienen, wenn die Ruderer unwillig oder panisch sind. Sklaven sind im Kampfeinsatz ein viel zu großes Risiko – daher bitte alles vergessen, was man in Ben Hur zu diesem Thema sieht. Rudersklaven gab es erst im 16. Jahrhundert. Die Schlagzahl der Ruder wurde nicht mit Trommel-/Paukenschlägen angegeben. Vielmehr wurde im Gleichklang zu einer eingängigen Melodie einer Flöte (oder ähnlichem) zu Werke gegangen.

Das Diorama:
Die Schiffe sind die griechische Triera, römische Trireme und die Trireme des römischen Kaisers (alle von Zvezda).


Die verwendeten Figuren sind römische republikanische Infanterie, karthagische Infanterie, griechische Infanterie, makedonische Phalanx und ägyptische Infanterie (ebenfalls alles von Zvezda). Die Schiffe wurden mit zusätzlichen Lüftungsöffnungen ausgestattet, die gerefften Segel wurden selbst gebastelt, einige Teile der Schiffe wurden untereinander vertauscht und einige Teile mussten mangels massiver Fehler abgeändert werden (z.B. der Corvus – Höhe, Beplankung – siehe Baubericht). Die römischen Schiffe sind brandneu, das Karthagische etwas gealtert. Die Interaktion der einzelnen Figuren war eine schwierige Aufgabe und die Ruderer und Seeleute bedurften einiger Kreativität. Ich habe das erste Mal versucht die hohe See darzustellen und verwendete hierfür Vallejo Mediterranean Water, MIG Acrylic Water und einen wilden Mix aus diversen Farbtönen (die Probleme, die ich hierbei hatte, kann man ebenfalls im Baubericht bestaunen). Ich habe das Diorama 2006 (wirklich!!!) begonnen und dachte, dass es nicht lange dauern würde. Doch mit jedem Buch, das ich gelesen hatte und mit jedem Gespräch das ich führte, wurde es immer komplexer und schwieriger. Doch nunmehr ist das Diorama endlich fertiggestellt und es schaut fast genauso aus, wie ich es mir 15 Jahre vorher vorgestellt hatte – nur historisch viel korrekter.

Grüße aus Österreich
Thomas Krug

Veröffentlicht in Werkbank.

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